Sascha Rahn vom IMS Magazin sprach mit Oberleutnant Kerstin V. (27), kurz nach ihrer Rückkehr aus dem ISAF-Einsatz.
IMS: Sie waren gerade im Einsatz in Afghanistan. Wie haben Sie die Lage vor Ort erlebt?
Die Lage in Afghanistan ist deutlich angespannter als bei meinem letzten Einsatz 2005. Es sind kaum sichtbare Militärfahrzeuge unterwegs, weil diese ein Anschlagsziel sein könnten. Infrastrukturell hat sich zumindest in Kabul einiges getan; es gibt Strom, die Straßen sind alle in einem guten Zustand und es gibt auch einige Neubauten.
IMS: Wie haben Sie den Einsatz der Bündnispartner vor Ort wahrgenommen?
Ich habe in einem multinationalen Bereich gearbeitet, also “joint” und finde, dass wir alle an einem Strang ziehen. Allerdings lässt die fachliche Ausbildung bei vielen der internationalen Soldaten zu wünschen übrig; da achtet die Bundeswehr schon sehr drauf, dass nur ausgebildete Leute in den Einsatz gehen.
IMS: Welche Erfahrungen haben Sie als Soldatin mit der einheimischen Bevölkerung gemacht?
Die Einheimischen in Kabul sehen mich in erster Linie als Soldat, und nicht als Frau. Von daher wurde ich genauso behandelt wie meine männlichen Kollegen. Die Uniform scheint das Geschlecht zu neutralisieren.
IMS: Es wird immer wieder kritisiert, es fände keine ausreichende gesellschaftliche Debatte über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan statt. Wie erleben Sie die Diskussion und vermissen Sie Rückhalt durch die Bevölkerung?
Durch die Kundus-Affäre habe ich den Eindruck, dass die Bevölkerung nun umschwenkt und ihre Wut auf die Politik konzentriert. Bis vor kurzem hieß es noch gegenüber uns Soldaten: “Ihr meldet euch alle freiwillig für Afghanistan (was so auch nicht stimmt, die meisten werden befohlen), verdient jede Menge Geld und sitzt nur rum.” Dass uns die Politiker letztlich nach Afghanistan schicken, wird vielen in der Bevölkerung erst nach und nach bewusst. Es müsste noch viel mehr getan werden, damit wir Soldaten endlich die Anerkennung der Bevölkerung für unsere schwere Aufgabe dort bekommen! Wir sind das einzige Land, in dem Soldaten nicht geachtet werden. Alle anderen NATO-Nationen unterstützen die Soldaten, selbst Linke, da wir nur das ausführende Instrument von politischen Entscheidungen sind.
IMS: Glaubt man den aktuellen Umfragewerten, so begleitet die Öffentlichkeit die Mission in Afghanistan mehr und mehr kritisch. Denken Sie, dass eine offenere Kommunikation hierzulande zu mehr Verständnis und Rückhalt für das deutsche ISAF-Engagement in Afghanistan führen könnte?
Aus meiner Sicht wissen die meisten gar nicht, was wir in Afghanistan machen und warum wir dort sind. Auch die verschiedenen Mandate ISAF und OEF sind der Masse nicht bekannt. Da sehe ich Aufklärungsbedarf seitens der Politik, um für unseren Einsatz und letztendlich ihre Entscheidung zu werben.
IMS: In den letzten Wochen kam es im Zuge der Zuspitzung der Lage im Norden erneut zu einer Diskussion über Aus-rüstung und Ausbildung der Soldaten. Wie haben Sie die Lage erlebt und wo sehen Sie Verbesserungen?
Ich bin mit der Ausrüstung sehr zufrieden gewesen und wir müssen uns nicht hinter unseren NATO-Partner verstecken, da wir Deutschen teilweise sogar besser ausgerüstet sind. Insbesondere die Sanitätsausstattung halte ich für sehr gut. Alle NATO-Partner wünschen sich ein Gewehr wie das G36. Das einzige, was fehlt, sind aus meiner Sicht Transporthubschrauber (nicht Kampfhubschrauber), um im Ernstfall deutsche Soldaten schneller aus dem Kampfgebiet abzutransportieren.
IMS: Warum hat Sie die Sanitätsausrüstung so überzeugt?
Jeder Soldat bekommt ein Paket, womit er sich im Anschlagsfall zunächst selber versorgen kann, da es ja dauert, bis ein Arzttrupp eintrifft. Die medizinische Versorgung in Afghanistan ist besser als hierzulande in einem San-Bereich! (weiter auf ims-magazin.de)